Digitalisierung und KI im Ideenmanagement

22.01.2024

Geschrieben von: Dr. Hartmut Neckel am: 19.01.2024

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Themen: Software Tools für Ideenmanagement; Stand und Perspektiven der Digitalisierung im Ideenmanagement; Anforderungen und Möglichkeiten der IT-Unterstützung für Ideenmanagement; Anwendungen von künstlicher Intelligenz KI im Ideenmanagement

Die Attraktivität und Funktionalität der unterstützenden Software-Tools ist – neben den Eigenschaften der handelnden Personen – einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren des Ideenmanagements. Das gilt für alle Phasen vom Einreichen über den Workflow zur Bearbeitung bis hin zu Auswertungen und der Bereitstellung von Kennzahlen. Wie auch zu anderen Themen, findet ein Großteil der Kommunikation digital statt. Zusätzliche Dynamik erhalten IT-Themen durch die sich rasch entwickelnden Möglichkeiten für die Nutzung von Künstlicher Intelligenz. Zeit für eine Bestandsaufnahme und einen Ausblick.

Die Bedeutung der Digitalisierung für das Ideenmanagement hatte sich auch in den Ergebnissen des Kennzahlenvergleichs Ideenmanagement 2022 gespiegelt, bei dem fast die Hälfte (48%) der 255 Teilnehmer die Funktionalität der Software als zukünftig noch zu bewältigende Herausforderung sah, während nicht einmal ein Viertel diese Herausforderung als bereits bewältigt einstufte (siehe Abbildung 4 im Artikel  „Ergebnisse des Kennzahlenvergleichs Ideenmanagement 2022“; Teilnehmer am Kennzahlenvergleich 2022 finden ausführlichere Angaben hierzu auf den Seiten 29-32 ihres individuellen Ergebnisberichts). Da ist es nur folgerichtig, wenn nun für das ergänzende Benchmarking im Kennzahlenvergleich 2023 die Frage nach dem Level der Digitalisierung als eines der Top 3 Themen ausgewählt wurde.

Einsatz von „klassischer IT“ im Ideenmanagement

Dass überhaupt Software zur Unterstützung des Ideenmanagements verwendet wird, ist mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Schließlich sind (je nach Unternehmensgröße und -struktur) auch fast alle anderen Anliegen digital abgebildet: etwa Urlaubsanträge, Krankmeldungen, Beschaffungsanträge, Aufgabenzuweisungen, Raumbuchungen, Störungshinweise, Reparaturanforderungen, Änderungswünsche an die IT, und, und, und …

Im Bereich der „klassischen IT“ (ohne Einsatz von KI) kann man folgende Levels der Digitalisierung bzw. Software-Unterstützung unterscheiden:

  • Bürosoftware: Nutzung von Excel (allgemein: Tabellenkalkulationsprogramme oder Datenbanken) für die Dokumentation der Ideen. Meist haben nur die Mitarbeiter des Ideenmanagements Zugriff auf diese Dateien und nutzen sie für die Nachverfolgung und für Auswertungen. Soweit das kommunikative Geschehen und der Workflow nicht nur per Telefon und im persönlichen Kontakt erledigt, sondern digital abgebildet werden, erfolgt dies primär per E-Mail und ist dadurch nur schwer in seiner Gesamtheit greif- und auswertbar. Dieser Level findet sich häufig in kleineren Unternehmen, in denen die meisten Vorschläge in Papierform eingereicht werden. Informationen und Feedback an Einreicher werden oft persönlich übermittelt.
  • Allgemeine Fachsoftware: Nutzung von auch anderweitig etwa für Aufgabenmanagement, Change Request Management, Projektmanagement oder Co-Working verwendeter Software. Anders als bei der Verwendung von Excel, ist es hier leichter, auch das kommunikative Geschehen und den Workflow mit der gleichen Software digital abzubilden, in der auch die Inhalte der Vorschläge gespeichert werden. Allerdings werden solche IT-Lösungen selten für den Zugriff (z.B. zur Ideeneingabe und Fortschrittsverfolgung) durch alle Mitarbeiter geöffnet. Statt dessen werden Vorschläge weiterhin auf Papier oder über eine Mitarbeiter-App eingereicht. Die Kombination einer Mitarbeiter-App mit einer Aufgabenmanagement Software hat den Vorteil, dass die Mitarbeiter dasselbe Tool nutzen können, mit dem sie sich auch sonst etwa über den Speiseplan in der Kantine, den Schichtplan der nächsten Woche oder sonstige Neuigkeiten des Unternehmens informieren. Das Gleiche gilt auch für die Bearbeiter, Entscheider und Umsetzer, die mit demselben Tool arbeiten können, mit dem sie auch alle anderen Aufgaben managen. Dem steht aus Sicht des Ideenmanagements der Nachteil gegenüber, dass mit zwei verschiedenen Systemen operiert werden muss.
  • Spezialisierte Fachsoftware („Ideenmanagement-Software“): Speziell für das Ideenmanagement geschaffene Lösungen, die sowohl die direkte Ideeneingabe durch Mitarbeiter als auch die Dokumentation, den Workflow und Auswertungen unterstützen, gibt es in den unterschiedlichsten Komfort- und Funktionsumfängen. Vorteil solcher Lösungen ist, dass sie gezielt auf die Belange des Ideenmanagements zugeschnitten werden können. Nachteile sind, dass die Anwender mit noch einer weiteren Oberfläche umzugehen lernen müssen, und bei Produkten professioneller externer Anbieter (aus Sicht von IT-Abteilungen), dass noch eine weitere Software in die IT-Landschaft des Unternehmens integriert werden muss. Für das Ideenmanagement bewirkt diese Integration erhebliche Vorteile, etwa, wenn Personalstammdaten und Organisationsstrukturen direkt in die Ideenmanagement-Software übernommen werden können.

Ohne Vollständigkeit anzustreben, betrachte ich im Folgenden einige Funktionen, Interaktions- und Kollaborationsmöglichkeiten vor allem solcher spezialisierter „Ideenmanagement-Software“ und ordne sie den verschiedenen Phasen im Lebenslauf einer Idee sowie dem systemischen Umfeld zu.

Bereits in Ideenmanagement-Software vielfach Einzug gehalten (wenn auch teilweise nur in den „luxuriöseren“ Varianten verfügbar) haben z.B. …

zur Unterstützung der Motivation, Inspiration, Ideenfindung und -formulierung:

  • in die Software integrierte Anleitungen, Checklisten, FAQs, Informations- und Qualifikationstools, Kreativitätstechniken, Videos, …
  • Inspiration per E-Mails, Newsletter, Alert-Services, auf der Startseite plazierte Teaser und Kurzinfos, …
  • Unterstützung für (internes, externes) Crowdsourcing und für kollaborative Ideenentwicklung (z.B. integrierte Chat- und Kommentarfunktionen, aus der Software heraus organisierbare Teams Meetings, …)
  • Ähnlichkeits- und Dublettenchecks, Filter- und Suchfunktionen
  • Kampagnen-Tools
  • Gamification-Tools

zur Unterstützung der Ideeneingabe:

  • Eingabemasken (an PC, Terminals)
  • Apps zur Eingabe von (auch privaten) mobilen Endgeräten
  • Spracheingabe

zur Unterstützung der Bearbeitung von der Begutachtung über die Entscheidung bis zur Umsetzung und Honorierung:

  • Workflow mit Rollenmodell; ggf. parallele Unterstützung eines allgemeinen Workflows und weiterer spezifischer Workflows
  • Tools für die Abstimmung zwischen Gutachtern und Entscheidern (z.B. aus der Software heraus organisierbare Teams Meetings, …)
  • in die Software integrierte Anleitungen, Checklisten, FAQs, Informations- und Qualifikationstools, Videos, …
  • Auswahl-Menus für Bewertungen, „Prämienrechner“ auf der Grundlage hinterlegter  Tabellen, Punktsysteme oder Kalkulationsprogramme, …
  • Automatisierte Erinnerungs- und Eskalationsverfahren

zur Unterstützung der Administration durch das Ideenmanagement:

  • Bereitstellung von Kennzahlen, Generierung von Dachboards und Reports
  • Integration von Business Intelligence und Big Data Analytics für inhaltliche und administrative Auswertungen

Eine interessante Entwicklung beim letzten Punkt besteht darin, dass führende Softwareanbieter mittlerweile die Ausgabe der Basisdaten für den jährlichen „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement“ unterstützen, indem sie dafür einen eigenen Report bereitstellen (zum Download des Informationsblatts mit Beschreibungen der Reportfunktionen). Das erspart das Zusammensuchen von verschiedenen Stellen der Standardreports.

Abb. 1: Softwareanbieter, die eine einfache Bereitstellung der Daten für den „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement“ unterstützen

Zukünftig könnten vermehrt weitere Funktionen Einzug in IT-Lösungen für das Ideenmanagement halten, beispielsweise …

  • … die Nutzung von Virtual Reality oder Augmented Reality zur Unterstützung des Einreichers bei der Entwicklung seiner Idee oder bei der Kommunikation mit Gutachtern und Entscheidern;
  • … die Nutzung von Blockchain-Technologie zur Sicherung der Urheberschaft von Ideen in Unternehmen, in denen zur Bearbeitung Personen aus weltweit verteilten Standorten mitwirken.

Einsatz von „KI unterstützter IT“ im Ideenmanagement

Mit dem Aufkommen von KI werden nun noch ganz andere Unterstützungsfunktionen möglich.

Im Folgenden stelle ich einige absehbare (in den oben genannten Blogbeiträgen größtenteils weiter ausgeführte) Anwendungsgebiete jeweils mit Bezug auf die in Abbildung 2 gezeigten typischen Herausforderungen im Ideenmanagement zusammen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit!).

Abb. 2: Herausforderungen im Ideenmanagement, bei denen der Einsatz von KI Unterstützung und Entlastung bewirken kann

Inspiration & Kreativität:

  • Für Ideeneinreicher: Anregungen für neue oder ausgereiftere Ideen
  • Für Ideenbearbeiter: Anregungen für Weiterentwicklungen und zusätzliche Anwendungsmöglichkeiten der zu bearbeitenden Ideen
  • Für Ideenmanager: Anregungen für z.B. neue Konzepte oder Marketingmaßnahmen
  • Für alle: Anregungen für kreatives Phantasieren; Durchspielen fiktiver Optionen; Erstellung von ersten Entwürfen für ein angedachtes Thema

Transformation & Formulierung:

  • Für Ideeneinreicher: Erstellung von sinnvoll gegliederten und überzeugend formulierten Beschreibungen, prägnanten Zusammenfassungen und Überschriften auf Basis der „Roh-Idee“
  • Für Ideenbearbeiter: Erstellung von sinnvoll gegliederten, verständlich und wertschätzend formulierten Gutachten oder Feedbacks zu bearbeiteten Ideen
  • Für Ideenmanager: Erstellung von Texten und Botschaften für die zielgruppenspezifische Kommunikation zu z.B. Informations-, Marketing- oder Schulungszwecken
  • Für alle: Übersetzungen in andere Sprachen

Elaboration & Entscheidungsfindung:

  • Identisch für Ideeneinreicher und für Ideenbearbeiter:

– KI basierter Chatbot als (beim Einreichen oder bei der Bearbeitung) hilfreiche Fragen stellender und ad hoc Feedback gebender virtueller „Sparringspartner“;

     – Hinweise auf ähnliche frühere Ideen

     – Hinweise auf (nicht ähnliche, aber) miteinander kombinierbare Ideen;

     – Hinweise auf mögliche Hemmnisse und zu beachtende Gesichtspunkte;

     – Gegenüberstellung von Pro- und Kontra-Argumenten;

     – Simulation potentieller Reaktionen und Konsequenzen;

     – Zusammenstellung entscheidungsrelevanter Informationen, Zahlen und Fakten (ggf. unterschiedliche Berechtigungen / Informationsfülle für Einreicher und Bearbeiter)

Kooperation & Matching:

  • Für Ideeneinreicher: Hinweise auf Kollegen und Communities, mit denen die Idee diskutiert, weiterentwickelt und ggf. gemeinsam eingereicht werden kann
  • Für Ideenbearbeiter: Hinweise auf Experten und Quellen, die für die Bearbeitung der Idee hilfreich sein könnten und hinzugezogen werden könnten
  • Für Ideenmanager: Unterstützung bzw. Automatisierung der Zuweisung einer Idee an den „richtigen“ Bearbeiter; Unterstützung bzw. Automatisierung von Klassifizierungen

Analyse & Mustererkennung:

  • Für Ideenmanager: Erkennung von Problemthemen und Verhaltensmustern, von Trends und Clustern; Identifikation von vielversprechenden Kampagnenthemen

Information & Kommunikation:

  • Für Ideenmanager (und damit auch für Ideeneinreicher und Ideenbearbeiter): Entlastung der Ideenmanager durch Chatbots, die per „Transformation“ aus einem definierten Pool an Informationsmaterial situativ Antworten auf Fragen von (potentiellen) Ideeneinreichern und Ideenbearbeitern formulieren.

Administration & Organisation:

  • Für Ideenmanager: Entlastung durch Automatisierung von repetitiven Aufgaben; Veranlassung von möglichen Reaktionen bei Fristüberschreitungen (z.B. Erinnerungen an Bearbeiter; Organisation von persönlichen Meetings)

Dass diese Funktionen und Anwendungen keine Zukunftsmusik mehr sind, sondern in vielen Unternehmen zum Alltag gehören, zeigen vor einigen Monaten veröffentlichte Ergebnisse einer Studie der IW Consult (siehe Abbildung 3).

Abb. 3: Häufigste Anwendungen von KI in Unternehmen (eigene Darstellung; Quelle: IW Consult, „Der digitale Faktor“, 25.09.2023)

Demnach nutzt mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen KI für das „Verfassen von Dokumenten“ – also für das, was in der obigen Zusammenstellung unter den Stichworten „Transformation & Formulierung“ aufgeführt ist, und mehr als ein Viertel nutzt KI für „Datenanalyse“ (oben fast wortgleich „Analyse & Mustererkennung“ genannt).

Für Interessenten am Einsatz von KI im Innovationsmanagement könnte auch der Beitrag von Gordon H. Eckart und Marco Hardiman „Die Zukunft gestalten: Generative Agenten als Wegbereiter für KI in der Neuproduktentwicklung“ in der Zeitschrift Ideen- und Innovationsmanagement 04/23 lesenswert sein.

Last not Least kann nicht nur KI dem Ideenmanagement helfen, sondern auch das Ideenmanagement einer unternehmensinternen KI: nämlich beim Lernen. Denn die im Ideenmanagement gespeicherten Daten aller Vorschläge sind ein Teil der unternehmensspezifischen Informationen, mit denen eine interne KI trainiert werden sollte.

  • Voraussetzung für diesen Mehrwert ist  allerdings, dass die Inhalte der Ideen tatsächlich digital verarbeitet werden können. In der Realität vieler Unternehmen (und ihrer verwendeten Software-Produkte) befinden sich wesentliche Inhalte jedoch in Anhängen und können von dort oft nur mit erheblichem Aufwand in leicht zugängliche Felder der Datenbank überführt werden.

Zusammenfassung und Ausblick

Betrachtet man die verschiedenen Levels der Digitalisierung daraufhin, wie und in welchen Rollen sie verschiedene Akteure des Ideenmanagements einbinden, können drei wesentliche Stufen unterschieden werden:

  1. Die IT dient vor allem der Erfassung, Dokumentation und Nachverfolgung der eigeninitiativ bottom-up eingereichten Ideen. Top-down vermittelte Inspiration (z.B. in Kampagnen) und kooperative Ideengenerierung (z.B. in Gruppenvorschlägen) sind zwar möglich, erfolgen aber ohne dezidierte IT-Unterstützung. Der Workflow ist linear gedacht: Einreichen, Bearbeiten, Entscheidung, Umsetzung mit Honorierung oder Ablehnung. Wesentliche Akteure sind der Einreicher, Bearbeiter (ggf. Gutachter, Gremien), Ideenmanager.
  2. Die IT unterstützt aktiv die kollaborative Generierung und Bearbeitung von Ideen. Der Workflow ist iterativ und die Rollen sind agil gedacht: Eingereichte Ideen können kollaborativ weiterentwickelt werden. Als zusätzliche Akteure treten die Crowd bzw. (ggf. begrenzt definierte) Communities sowie Auftraggeber oder Moderatoren von top-down initiierten Kampagnen auf (siehe Beschreibung des „agilen Crowd Modells“ im Blogbeitrag „Was ist Ideenmanagement? – II. Das Management“ sowie die im „Register“ unter dem Stichwort „Kampagnen und andere Sonderaktionen“ verlinkten Blogbeiträge).
  3. Die IT wird als KI selbst zu einem Akteur, der alle anderen bei den in Abbildung 2 gezeigte Herausforderungen unterstützt.

Nun stellt sich die spannende Frage: Welchen Einfluss hat der Level der Digitalisierung auf den Erfolg des Ideenmanagements? Klar dürfte sein: Ab einer gewissen Unternehmensgröße ist es mit der Handhabbarkeit einer Excel-Datei vorbei. Doch welche sonstigen Zusammenhänge gibt es? Wieviel Investitionen in IT und KI lohnen sich wirklich für das Ideenmanagement?

Nehmen Sie am „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement 2023“ teil und lesen Sie die Antworten in Ihrem individuellen Ergebnisbericht!

Bei aller Bedeutung der Unterstützung durch IT und KI: Das Wichtigste im Ideenmanagement bleiben die Menschen und ihre persönliche Interaktion!

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