Öffnet die Schleußen: Internes Crowdfounding steigert die Innovationskraft und begeistert Mitarbeitende

11.12.2023

https://idw-online.de/de/news822881

Lisa Wolf PR Management
Kühne Logistics University – Wissenschaftliche Hochschule für Logistik und Unternehmensführung

Hackathons, Innovationswettbewerbe oder Ideenplattformen – Unternehmen lassen sich heute allerhand einfallen, um an frische Ideen zu kommen und ihre Mitarbeitenden dabei mehr einzubinden. Doch da lässt sich noch eine Schippe drauflegen. Inzwischen überlassen Unternehmen auch die Bewertung und Förderung von neuen Ideen ihren Mitarbeitenden und machen damit gute Erfahrungen, wie eine Studie der Kühne Logistics University (KLU) und der Siemens AG in Zusammenarbeit mit weiteren Universitäten zeigt. Internes Crowdfunding bereichert damit den Werkzeugkoffer fürs Innovationsmanagement. Welche Fallstricke dennoch lauern und wie man es am besten ausgestaltet.

In mehreren Crowdfunding-Runden waren Mitarbeitende der Siemens AG nicht nur eingeladen, ihre Ideen auf einer internen Online-Plattform zu präsentieren, sondern konnten auch als Investor*innen mitbestimmen, welche Projekte umgesetzt werden. Sie durften also das tun, was sonst eher Manager*innen vorbehalten ist: entscheiden und Budgets verteilen. Die Forschenden haben dann untersucht, wie gut diese verteilte Entscheidungsfindung funktioniert und welche Rolle dabei Hierarchien spielen. Ihr Fazit: „Die Mitarbeitenden haben qualitativ hochwertige Ideen eingereicht und ihre Kolleg*innen haben diese auch als solche erkannt und finanziell unterstützt“, sagt Christina Raasch, Professorin für Digital Economy an der KLU und Wissenschaftlerin am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW).

Ganz unvoreingenommen waren die Investor*innen allerdings nicht: Sie neigten dazu, Ideengeber*innen der gleichen Hierarchiestufe zu bevorzugen. Raasch erläutert: „Die Ähnlichkeit zum Ideengeber oder der Ideengeberin stärkt die Identifikation mit der Idee sowie die Gruppenidentität und führt zu einer positiveren Bewertung.“ Dieser Effekt war umso stärker, je innovativer die Idee war. Stehen Investor*innen allerdings in Konkurrenz zum Ideengebenden, fällt die Investitionssumme umso geringer aus.

Wissen für das Unternehmen nutzen und Engagement fördern

Unterm Strich liegen die Vorteile von Ideenwettbewerben mit verteilter Entscheidungsfindung dennoch auf der Hand: Im Unternehmen verteiltes und eventuell brach liegendes Wissen lässt sich nutzbar machen und es entsteht mehr Austausch und Kooperation über unternehmensinterne Grenzen hinweg. „Zudem haben wir beobachtet, dass das Engagement und die Motivation der Mitarbeitenden steigen, wenn ihre Ideen wertgeschätzt und ihre Entscheidungen anerkannt werden – das Management hatte kein Vetorecht“, berichtet Christina Raasch. Und schließlich lässt sich so auch großer Ideenreichtum managen, da die Bewertung auf viele Schultern verteilt wird.

Praktikable Wege zur gemeinsamen Innovation

Damit sowohl das Unternehmen als auch die Mitarbeitenden maximal von internem Crowdfunding profitieren, muss das Vorgehen gut durchdacht und an das jeweilige Unternehmen angepasst sein. Um die Investor*innen nicht mit der Ideenfülle zu überfordern, sollten größere Unternehmen kleinere Kreise von Ideengeber*innen bilden. Das Management muss dahinterstehen, die Entscheidungen in die Hände der Mitarbeitenden zu legen – und sie nicht später kassieren. Ebenso ist zu klären, aus welchem Topf das Geld kommt, das die Inverstor*innen verteilen. Die Ideengeber*innen wollen ihre Ideen meist mit ihrem Namen präsentieren. Christina Raasch erläutert, warum: „Diese Sichtbarkeit steigert die Motivation und Zufriedenheit aller Beteiligten – das ist wichtiger als kleinere verzerrende Effekte bei der Bewertung.“

Will ein Unternehmen innovativ sein und neue Ideen willkommen heißen, muss zudem sichergestellt sein, dass das Scheitern einer Idee weder für die Ideengebenden noch die Investor*innen negative Konsequenzen hat, sondern Teil einer Lernkultur ist. Innovationen sind nun einmal mit Unsicherheit verbunden. Auch die Anonymität oder Sichtbarkeit der Investor*innen hat Auswirkungen: Sichtbare Investor*innen bewerten gründlicher, sind aber auch vorsichtiger und geraten eventuell seitens der Ideengeber*innen unter Druck. „Eine andere Möglichkeit wäre, die Identitäten der Investor*innen nur von umgesetzten Ideen offenzulegen“, schlägt Christina Raasch vor. „Ich rate aber eher zu dauerhafter Anonymität, um generell Rückwirkungen auf die Inverstor*innen zu vermeiden.“

So lief die Untersuchung ab

Siemens hat seit 2015 neun Finanzierungsrunden mit internem Crowdfunding durchgeführt. Das funktioniert so: Mitarbeitende stellen ihre Projektideen mit dem Nutzen fürs Unternehmen und dem benötigten Budget auf einer Plattform vor. Alle Mitarbeitenden können die Ideen „liken“ und Feedback geben. Bis zu einem Stichtag können die Ideengeber*innen ihre Projekte weiterentwickeln. Eine begrenzte Anzahl anonymer Investor*innen – alle Mitarbeitenden können sich dafür melden, das Los entscheidet, wer Investor*in wird – bekommt ein Budget, begutachtet die Ideen und kann das Geld in 1-Euro-Schritten verteilen. Ideen, die ihre Fördersumme erreichen, bekommen grünes Licht.

Das Forschungsteam hat die Daten der Ideenplattformen anonymisiert ausgewertet und beispielsweise Neuheitsgrad, Investitionsentscheidungen und Hierarchiestufen erfasst. Die Ergebnisse sind in die Studie eingeflossen. Darüber hinaus haben die Wissenschaftler*innen mit Ideengeber*innen, Investor*innen und Führungskräften gesprochen sowie die Mitarbeitenden online dazu befragt, wie sie den Nutzen der Ideenplattform wahrnehmen. Diese Informationen haben dazu beigetragen, die Mechanismen und Ergebnisse des internen Crowdfundings bei Siemens zu verstehen.