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12.02.2025 Dr. Judith Muster und Lars Gaede

Viele gute Ideen schlummern in so manchen Schubläden oder Köpfen. Was es braucht, damit aus der guten Idee eine echte Innovation wird und sie nicht auf dem Ideen-Friedhof landet.

Egal, wo man hinschaut. Die Sorge um die Innovationsfähigkeit deutscher Unternehmen beschäftigt die Medien und gelegentlich sogar die Politik. Klar, ein erfolgreiches neues Produkt, ein neues Verfahren oder ein neuer Service kann schließlich Unternehmensschicksale entscheiden, manchmal gleich den ganzen Kahn rumreißen. Große Innovationen haben stets auch die Welt verändert, egal ob Dampfmaschine, Smartphone, Antibiotika oder die Sharing Economy. Am Anfang steht dabei die Idee, eine neue Erkenntnis, die Dinge verknüpft, die vorher noch nie zusammen gedacht oder gesehen wurden. Ganze Industrien kreisen um das Versprechen von großen Ideen – da gibt es Bücher, Workshops und Berater, die unser kreatives Denken in produktive Bahnen lenken sollen. Die Annahme: Ohne gute Ideen, keine Innovation.

Das ist richtig und doch bringt uns diese Erkenntnis kaum weiter. Denn während wir für nahezu jede neu zu besetzende Position „kreative Leute“ suchen, mehr Zeit in Design- Thinking-Workshops als am Schreibtisch verbringen und Innovationshubs in Berlin gründen, scheint die Innovationskraft deutscher Unternehmen insgesamt eher nachzulassen. Warum das so ist? Naja, der Mythos der genialen Idee, die sich gegen alle Widerstände durchsetzt, ist leider genau das, nämlich ein Mythos, der uns den Blick auf das tatsächliche Problem versperrt.

Innovation als einen Prozess sozialer Evolution

Klar gibt es ohne gute Ideen auch keine Innovation. Es gibt aber in den meisten Organisationen bereits viel mehr tolle Ideen als gedacht. Leider landen die oft in Schubladen – dem Friedhof der guten Ideen. Da liegen sie dann und parallel wird schon der nächste Workshop geplant und sich gefragt, warum es mit der Innovation einfach nicht klappen will.

Hier offenbart sich eine fundamentale Fehleinschätzung dessen, was Innovation im organisationalen Kontext tatsächlich verhindert. Die meisten Unternehmen haben viel mehr gute Ideen als sie brauchen, was ihnen nicht gelingt, ist, diese Ideen in der komplexen Realität ihrer Organisation zu verankern.

Organisationssoziologisch sehen wir Innovation als einen Prozess sozialer Evolution. Sie umfasst drei wesentliche Phasen und um Geistesblitze geht es dabei eigentlich nur in der ersten, der Variation. Viele Ideen verpuffen bereits hier, nur einige wenige schaffen den Sprung in die nächste Phase.

Warum das so ist? Nun, wer in einer Organisation schon einmal eine Idee hatte, der weiß, dass wir die wenigsten Projekte auf eigene Faust umsetzen können. Damit das passieren kann, muss die Idee erstmal ausgewählt werden. Ganz simpel formuliert ist das der Moment, in dem die anderen sagen: „Gute Idee, lass uns das machen.“ Haben wir das erreicht, haben wir die zweite Phase der sozialen Evolution gemeistert, die sogenannte Selektion.

Hier möchte man nicht selten schon mal die Korken knallen lassen, aber da ist Vorsicht geboten. Denn für erfolgreiche Innovation müssen wir unsere Idee auch durch die dritte Phase bringen. In dieser Phase geht es um ihre Restabilisierung. Sie muss also nicht nur ausgewählt, sondern auch mit vereinten Kräften umgesetzt werden. In der Organisation kann das ein neues Produkt sein, das erfolgreich an den Markt gebracht wird, oder ein neuer Prozess, der Teil unserer organisationalen Routine wird.

Aber während wir gefühlt ständig an der Variation schrauben, wird die zweite und dritte Phase oft vernachlässigt oder gleich ganz vergessen. Man konzentriert sich auf die Variation, also aufs Generieren neuer Ideen und wundert sich dann, warum die Ideen allesamt an der Fassade der Organisation abprallen.

Gute Ideen scheitern an Zermürbungstaktik und am Restabilisierungsproblem

Die Gründe für dieses Scheitern sind in jeder Phase vielschichtig und haben oftmals wenig mit der „Qualität“ unserer Ideen zu tun. In der Selektionsphase kann es passieren, dass jemand eine gute Idee ablehnt, weil sie inhaltliche Herausforderungen mitbringt, denen man sich nicht stellen will. Oder weil jemand einen Machtverlust befürchtet, wenn plötzlich mehr Kollegen Zugang zu einem Prozess haben, den man vorher allein betreut hat. Oder weil ein Ablauf verändert werden müsste, den eine bestimmte Abteilung so eigentlich super und vor allem praktisch findet.

Was das Ganze noch komplexer und undurchsichtiger macht: Oft werden diese Gründe gar nicht offen ausgesprochen. Stattdessen werden diffuse Argumente vorgeschoben, die kaum ausgeräumt werden können, oder eine Zermürbungstaktik gefahren, bei der man seine Bedenken scheibchenweise vorbringt und die Idee so lange totredet, bis sie sogar für ihre Befürworter jeglichen Glanz verloren hat.

Hakt es in der Umsetzung einer neuen Produktidee oder in der Implementierung eines neuen Prozesses, kann man von einem Restabilisierungsproblem sprechen. Vielleicht wurden für einen gelungenen Einsatz der neuen Software nicht ausreichend Schulungen angeboten. Vielleicht wurde auch einfach der Zeitraum für die Umsetzung zu knapp bemessen. So verschärfen sich oft interne Widerstände und Interessenkonflikte.

Dass es in Organisationen so häufig zu Interessenkonflikten kommt, liegt am Prinzip der Arbeitsteilung: Weil in einer Organisation nicht alle alles machen und alles können, haben wir hochspezialisierte Teams und Abteilungen geschaffen. Der Vorteil: Echte Expertinnen und Experten machen im besten Fall richtig gute Arbeit an einer ganz klar umrissenen Aufgabe. Der Nachteil: Die Marketing und die Sales-Abteilung wissen, was beim Kunden ankommt, die Produktentwicklung, was machbar ist und das Management, wie die Zahlen aussehen. Um erfolgreich zu arbeiten, muss dieses Wissen im Sinne der Organisation und ihres übergeordneten Ziels zusammengeführt werden. Weil im Alltag aber jeder nur den eigenen Job und den eigenen Erfolg sieht, entwickeln sich auch die Interessen aller Beteiligten oft immer mehr auseinander.

Interessen und Motivationen anderer Bereiche berücksichtigen

Ist uns also daran gelegen, den Weg der Ideen durch unsere Organisation zu ebnen, tun wir gut daran, die Interessen und Motivationen anderer zu kennen und ein genaues Aufmaß der durch die Arbeitsteilung entstehenden Spannungen zu machen. Denn natürlich steht die Produktion immer ein wenig im Widerstreit mit dem Vertrieb: Soll man die Produkte standardisieren oder jedem Kunden Sonderlocken bauen? Es gibt schlicht konkurrierende Interessenslagen, die in die Struktur von Organisationen eingeschrieben sind. Denn egal wie oft wir uns erzählen, dass wir alle ein großes gemeinsames Ziel – nämlich den Erfolg der Organisation – verfolgen, unsere Unterzwecke, also die alltäglichen Ziele, Prioritäten und Herausforderungen, die uns bei unserer Arbeit leiten, unterscheiden sich gewaltig. Der Gesamtzweck der Organisation berührt die eigene Arbeit dagegen oftmals kaum.

Die Soziologen Richard Cyert und James March beschreiben das Phänomen als „lokale Rationalitäten“. Die kommen zum Tragen, wenn Organisationsmitglieder ihr Handeln dem Zweck des eigenen Bereichs, der eigenen Abteilung oder ihrer Funktion entsprechend ausrichten – gelegentlich auch zum Leidwesen anderer Akteure.

Es lohnt nicht, diese divergierenden „lokalen Rationalitäten“ zu pathologisieren oder „die Schuld“ bei einzelnen Akteuren zu suchen, tatsächlich sind sie konstitutive Elemente jedes organisationalen Systems. Wer diese Realität ignoriert und damit das Wesen der Organisation als komplexes soziales System mit eigenen Gesetzmäßigkeiten verkennt, muss scheitern. Schauen wir aus diesem Winkel auf das Thema Innovation, wird deutlich, dass nicht jeder jede Idee unterstützen kann oder will – denn nicht selten gefährdet Innovation, was ja letztlich auch nur ein anderes Wort für Veränderung ist, den Status quo und damit auch lokal rationale Ziele und Interessen.

Bevor wir also das große Ideenfeuerwerk zünden, sollten wir verstehen, in welcher Phase der sozialen Evolution Innovation in unserer Organisation am häufigsten scheitert. Haben wir das erkannt, können wir hineinzoomen, uns also in den Diskurs mit den jeweiligen Akteuren begeben und ihre lokalen Rationalitäten erfassen. So können wir feststellen, welche Konflikte sich organisationsintern anbahnen und der Selektion oder auch der Restabilisierung im Wege stehen könnten. Haben wir dann ein Verständnis für wiederkehrende Nadelöre, Nöte und Widerstände entwickelt, können wir versuchen, organisationale Strukturen und Prozesse dahingehend anzupassen. Gleichzeitig sollten wir uns aber nicht der Illusion hingeben, dass hier eine Art Idealzustand erreichbar oder auch nur wünschenswert wäre. Vielmehr sollten wir Organisationen als vielschichtige und bewegliche Konstellationen begreifen, die durch genaue Organisation und kluge Diskursführung entlang der Übergänge der verschiedenen Phasen sozialer Evolution immer wieder neu arrangiert und gestärkt werden können.

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