Ideenmanagement bei der J.Schmalz GmbH: Die Großen und die Kleinen

13.10.2025

Alle Ideen und Vorschläge über einen Kamm scheren? Die Frage beantwortet sich im Grundsatz fast von selbst, doch der Teufel steckt bekanntlich in den Details. Lesen Sie hier das Erfolgsrezept, mit dem das Ideenmanagement der J. Schmalz GmbH in Glatten zwischen „großen“ und „kleinen“ Ideen unterscheidet und für beide zum Unternehmen passende Lösungen gefunden hat. Digitalisierung und Gamification sind dabei zwei wesentliche Stichworte.

<link rel=“canonical“ href=“https://www.hartmut-neckel.de/blog/ideenmanagement-bei-der-j-schmalz-gmbh-die-grossen-und-die-kleinen.html“ />Ideenmanagement

Geschrieben von: Alexander Beck (J. Schmalz GmbH) am: 08.10.2025

Themen: Erfolgsfaktoren des Ideenmanagements, Entscheidung und Prämierung im Team, Zusammenspiel von Team-KVP und Vorschlagswesen, digitale KVP-Kanban-Boards, Gamification, Praxisbeispiele

Das Unternehmen

Erst Rasierklingen, dann Transportgeräte, heute Vakuumtechnik und Energiespeicher: Die Geschichte des 1910 in Glatten (Schwarzwald) gegründeten Unternehmens Schmalz ist geprägt von kontinuierlichem Wandel und vom Drang, für Kunden immer wieder Neues zu schaffen. Das in vierter Generation geführte Familienunternehmen beschäftigt 1.800 Mitarbeitende an 31 Standorten in rund 70 Ländern. Wegweisende Ideen, kontinuierliche Verbesserung und die Einbindung der Mitarbeitenden in die Weiterentwicklung von Prozessen und Produkten haben Schmalz zu einem weltweit führenden Anbieter von innovativen Lösungen für Automatisierung und ergonomische Handhabungssysteme gemacht.

Das Ideenmanagement bei Schmalz in Glatten

Organisation:

Das „Lean- und Ideenmanagement (LIM)“ ist dem Bereich „IT und Prozessmanagement “ zugeordnet. Im Ideenmanagement werden zwei Hauptprozesse unterschieden:

  • Der „Team-KVP (kontinuierlicher Verbesserungsprozess)“ zielt auf die teaminterne Verbesserung und Beteiligung ab. Hier geht es um kleinere und einfachere Ideen, die im Team generiert, besprochen und umgesetzt werden. In der Prämierung gewinnt das Team.
  • Das „BVW (betriebliche Vorschlagswesen)“ zielt auf direkt rechenbare finanzielle Einsparungen ab. Hier geht es um wegweisende, qualitativ hochwertige und bereichsübergreifende Ideen mit größerem Einfluss. In der Prämierung gewinnt der Einreicher.

Das Team-KVP System:

Jahrzehntelange wurden die Ideen bei Schmalz auf DIN A6 Zettel geschrieben und an der Tafel im Bereich organisiert. Seit fünf Jahren wurden sie teamweise auf Online-Kanban-Boards in Jira umgestellt. Inzwischen sind alle Bereiche digital unterwegs, inklusive der Produktion. Die Digitalisierung war kein leichter, aber notwendiger Schritt, um den gesamten Prozess automatisieren zu können.

Abb. 1: Unterscheidung zwischen BVW und Team-KVP im Concept-Board zur Vorstellung des Ideenmanagements bei Schmalz

Die etwas unter tausend Mitarbeitenden am Standort Glatten verteilen sich auf etwa 95 verschiedene KVP-Teams. Die Zusammensetzung spiegelt im Wesentlichen die sonstige organisatorische Struktur wider, muss es aber nicht. Jedes Team trifft sich wöchentlich während der regulären Arbeitszeit zu einem 15-minütigen Regeltermin, mindestens aber alle zwei Wochen zu einem dann 30-minütigen Meeting. Darin werden die im Laufe der Woche eingereichten Vorschläge am Online-Kanban-Board des Teams besprochen.

  • Die Kanban-Boards zeigen kurze Steckbriefe der Ideen auf Kacheln, die einer der Spalten „Neue Ideen“, „Zurückgestellte Ideen“, „Ideen in Umsetzung“, „Abgeschlossene Ideen“, „An LIM senden“ zugeordnet sind. Zu jeder Idee sind damit Status, Einreicher, Bearbeiter (Verantwortlicher) und Zieltermin auf einen Blick sichtbar.
  • Im Meeting wird zunächst bei den in Umsetzung befindlichen Tickets mit fälligem Zieltermin der Umsetzungsstatus nachgehakt. Anschließend werden bei den neuen Ideen im Ticket der Verantwortliche und der Zieltermin definiert. Die Teams entscheiden über die KVP-Ideen, die von ihren Mitgliedern eingebracht wurden, sorgen für die Umsetzung und legen die Höhe der Prämie fest.
  • Prämien für KVP-Ideen ergeben sich aus der abgeschätzten Einsparung, die in drei Pauschalwerte klein, mittel groß eingestuft werden kann. 10% der definierten Einsparung fließt in die jeweilige Teamkasse. Das Geld soll dazu genutzt werden, den Zusammenhalt im Team zu stärken. Wie das konkret geschehen soll, kann das Team frei entscheiden.
  • Die jeweilige Führungskraft nimmt als einer unter gleichen an den Regelterminen des Team-KVP teil und kann dort mitreden und mitentscheiden, ggf. auch gleich freigeben und auch als Umsetzer eingetragen werden.
  • Für die Moderation der Meetings wurde in jedem Team ein „Kapitän“ benannt. Dabei handelt es sich überwiegend um Mitarbeitende ohne hierarchische Führungsposition, die vom Ideenmanagement in einer etwa zwei- bis dreistündigen Veranstaltung dafür geschult wurden.

Die Motivation zur Teilnahme am Team-KVP wird zusätzlich durch Gamification unterstützt: In einer „Liga“ treten die Teams gegeneinander an. Die Position im Ranking der Liga ergibt sich aus der Anzahl von Punkten, die alle zwei Wochen entsprechend der Anzahl eingereichter Team-KVP-Ideen pro Teammitglied vergeben werden.

  • Im Ranking oben stehende KVP-Teams erhalten Attribute wie „Löwe“ oder „Adler“, für weniger erfolgreiche Teams gibt es Symbole wie „Schildkröte“ oder „Schnecke“.
  • Monatlich können sich die Mitglieder des jeweiligen Top KVP-Teams über einen Vesper-Gutschein freuen.
  • Halbjährlich findet zudem eine Siegerehrung der drei besten Teams statt, über die auf den internen Kanälen berichtet wird. Die Teammitglieder werden mit einer kleinen Prämie honoriert. Zu einem der Termine wird auch der verantwortliche Geschäftsführer eingeladen, um eine spontane Laudatio zu halten.
  • Um zu verhindern, dass Top Positionen im Ranking erreicht werden, indem Team-KVP-Ideen „auf Masse“ produziert werden, werden die drei Top Teams regelmäßig überprüft. Gegebenenfalls würde dann der jeweilige „Kapitän“ entsprechend gebrieft werden.

Abb. 2: Funktionsweise der „Liga“ im Team-KVP bei Schmalz

Der Erfolg des Team-KVP kann daran bemessen werden, dass etwa 75% der Mitarbeitenden Ideen im Team-KVP regelmäßig einbringen und rund 7.000 Verbesserungen pro Jahr eingereicht werden.

Das BVW-System:

Wie bereits erwähnt, geht es im BVW-Prozess primär um wegweisende Ideen mit einer höheren Einsparwirkung. Doch können dort auch finanziell nicht rechenbare Vorschläge eingereicht werden, wenn sie Themen außerhalb des eigenen Arbeitsbereichs (bzw. des Zuständigkeitsbereichs des Teams) betreffen.

  • Beim Einreichen einer neuen Idee erscheint zuvor eine PopUp mit einer Themenauswahl, die nicht als BVW gewertet werden, sondern deren Inhalt als E-Mail an den jeweiligen Prozessverantwortlichen automatisch geschickt wird. Somit wird das Anliegen des Mitarbeiters bearbeitet, auch wenn es kein BVW ist.
  • Handelt es sich um eine Verbesserung außerhalb der ausgeschlossenen Themen, wählt der Mitarbeitende aus einer der folgenden vier BVW-Kategorien: „Produkt-Optimierung“, „Prozess-Optimierung“, „Arbeitssicherheit“ und „Nachhaltigkeit“.
  • Prämien für rechenbare Vorschläge ergeben sich als fester Prozentsatz des Erstjahresnutzens, wobei Aufwände für die Umsetzung auf zwei Jahre abgeschrieben werden. Prämien für nicht-rechenbare Vorschläge werden mit einer Pauschale eingestuft.
  • Bei Führungskräften wird die Prämie mit dem Faktor 0,8 reduziert. Falls ein BVW-Vorschlag den eigenen Arbeitsbereich betrifft, beträgt der Faktor 0,5.

Ressourcen:

Das Ideenmanagement funktioniert inzwischen  durchgehend softwaregeleitet und teilweise automatisiert.  Im Standardprozess der BVW-Software wird der Ideenmanager lediglich als erste Kontrollinstanz, dann erst wieder beim Prämien-Check benötigt. Wesentliche Tätigkeiten dazwischen und im Umfeld beinhalten:

  • BVW: Technischen Support geben
  • BVW: Mahnungen hinterhergehen
  • Team-KVP: Schulung und Betreuung der KVP-Kapitäne und ihrer Stellvertreter bei Fragen, Problemen und Anregungen
  • BVW und Team-KVP: Information der Führungskräfte über die Anzahl der Vorschläge pro Mitarbeiter (damit diese das gezeigte Engagement wohlwollend in den Jahresgesprächen mit dem Mitarbeiter einfließen lassen)
  • Neuen Mitarbeitenden das Ideenmanagement in einem ein- bis zweistündigen Meeting anhand eines Concept Boards vorstellen (alle neuen Mitarbeitenden durchlaufen virtuell das ganze Unternehmen, eine Station ist dabei auch das Ideenmanagement)
  • Weiterentwicklung des LIM-Systems

Fazit:

Seitdem das Ideenmanagement vor 30 Jahren als zentrales System eingeführt worden war, bei dem Ideen in roten Mappen durch das Unternehmen geschleust wurden, hat es mehrfache Überarbeitungen erlebt, um heute „seamlessly digital“ zu funktionieren. Der gesamte Prozess vom Einreichen einer Idee bis zur Event-Abrechnung im Team-KVP verläuft nahezu vollständig automatisiert. Das parallele Angebot eines Kanals für besonders werthaltige Vorschläge und eines in den Alltag integrierten Systems für Verbesserungen vor Ort hat sich bewährt – wie nicht zuletzt auch die Ergebnisse des Kennzahlenvergleichs Ideenmanagement zeigen, bei denen Schmalz aktuell eine Beteiligungsquote von fast 75% und einen Umsetzungsanteil von rund 85% aufweist. Damit leistet das Ideenmanagement einen wichtigen Beitrag, damit das Unternehmen auch zukünftig mit wegweisenden Ideen Innovationsführer bleibt.

Ein nach Stichworten sortiertes Verzeichnis mit Links auf alle bisher erschienenen Beiträge im Blog zum Ideenmanagement finden Sie in diesem Register.

Alle Erwähnungen von Produkten und Unternehmen sind redaktioneller Natur und wurden nicht bezahlt.

Alexander Beck ist Mitarbeiter im Lean- und Ideenmanagement bei der Firma J. Schmalz GmbH. Mit der langjährigen Expertise aus den prozessorientierten Workshops und Projekten im Bereich Lean-Management engagiert er sich in den letzten Jahren verstärkt für die Weiterentwicklung der beiden Ideenmanagementsysteme. Der Fokus lag dabei auf der softwaregestützten Automatisierung, der unternehmensweiten Partizipation und der individuellen Befähigung der Systemanwender.   Kontakt:  

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