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Der moderne Ideenmanager: Vom Ideenverwalter zum Influencer
04.07.2022Vera Lampl 19.01.21 10:30 9 Minuten Lesezeit
https://blog.hypeinnovation.com/ideenmanagement/vom-ideenverwalter-zum-influencer
Wettbewerbs- und Wissensvorteile sichern, Kosten senken, Effizienz erhöhen: Gerade in Krisenzeiten gilt es, das Kreativpotenzial der eigenen Mitarbeiter noch stärker zu mobilisieren. Da wächst auch die Bedeutung des Ideenmanagers im Betrieb. Fest steht: Seine Rolle hat sich gravierend geändert. Der moderne Ideenmanager ist weit mehr als ein reiner Ideen-Verwalter, er ist ein kreativ-kommunikatives Multitalent.
Nur wer sich als Organisation heute schnell anpasst, kann sich auf Dauer im Markt behaupten. Klar, dass das Ideenmanagement als Instrument der Unternehmensführung da eine tragende Rolle spielt, die nach Ansicht vieler Experten künftig noch größer wird. Aus diesem Grund trägt auch der Ideenmanager eine besondere Verantwortung.
Das Instrument selbst hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt, sowohl konzeptionell als auch technisch und organisatorisch. Natürlich, das Betriebliche Vorschlagswesen (BVW) hat eine lange Tradition. Über 100 Jahre, um genau zu sein. Doch vielerorts ist heute ein professionelles, aktiv gelebtes Ideenmanagement etabliert – mit eigenem Marketing, eigener „CI“ und flankierender Spezialsoftware für den gesamten Verbesserungsprozess und alle beteiligten Akteure.
BVW: Zu viel Bürokratie und Einflussnahme des Betriebsrats?
Dennoch haftet dem Ideenmanagement zuweilen etwas Verstaubtes an. Peter Schmid, bis 2019 Ideenmanager bei Bosch, kennt das Problem. Bevor er 2009 sein Amt übernahm, ärgerte er sich oft über veraltete Denkansätze, empfand den Bereich als „spezifisch deutsch, betriebsratsgetrieben und sehr bürokratisch.“ Die Folge: „Die Ablehnung gegenüber dem BVW war tief in vielen Vorgesetzten und auch Mitarbeitern verankert.“ Auch Sven Juraschka, Ideenmanager bei Siemens Gamesa, sieht seinen eigenen Berufsstand durchaus kritisch: „Das Ideenmanagement ist hauptsächlich in traditionellen Produktionsbereichen präsent und ähnelt dort oft noch dem klassischem BVW. Damit gehen leider häufig auch eine lokale Sichtweise, limitierte Vernetzung und geringe Nutzung sozialer Medien einher.“
Und dann gibt es da noch etwas, rein Deutsches: die deutsche Gesetzgebung – und die damit verbundene Einflussnahme des Betriebsrats im Ideenmanagement, mehr oder minder stark ausgeprägt. Heißt im Klartext: schwerfällige Prozesse, langsame Bearbeitung, geringe Ideenqualität. Das Arbeitsfeld des Ideenmanagers scheint daher für junge Berufsgruppen wenig attraktiv. Auch die Einschätzung nachfolgender Generationen zu Methoden und Tools für die Ideengenerierung sei ähnlich: „Aus der Zeit gefallen. Von gestern. Alt.“
Verdrängungswettbewerb in den eigenen Reihen
Ansätze wie das Innovationsmanagement und auch KVP seien da viel näher am Puls der Zeit, meint Juraschka: „Da ist eine neue Generation am Start. Für die ist eine globale Sichtweise und Vernetzung selbstverständlich.“ Und so bläst den Ideenmanagern in multinationalen Unternehmen mitunter ein rauer Wind entgegen. Neuere Initiativen mit vermeintlich mehr Dynamik, Flexibilität und Agilität erhalten viel mehr Aufmerksamkeit vom Management – und Budget. Da kann es passieren, dass Innovationskollegen mit “Start-up-Spirit“ mit gefühlt wehenden Fahnen am Ideenmanagement vorbeisegeln.
Dabei kann man sich sehr wohl effektiv gegen Wettbewerb aus den eigenen Reihen behaupten, weiß David Halverscheid, Ideenmanager bei Siemens. Sein Tipp: Schärfung des eigenen Profils. „Nehmen Sie interne Konkurrenz als Geschenk,“ empfiehlt Halverscheid. „Sie müssen Ihre Nische im Unternehmen finden im Gefüge aller Ideen-Initiativen. Kommunizieren Sie Ihre Erfolge besser, nutzen Sie neue Kommunikationskanäle und Methoden, etwa für die Kollaboration, bauen Sie das Reporting und die Beratung für Ideengeber aus, etablieren Sie schnelle, gemeinsame Calls mit Entscheidern und Ideengebern und Web-based-Trainings für alle Stakeholder!“
Gemeinsam an einem Strang ziehen – Synergien nutzen
Und es gibt ja bereits viele „integrative“ Ansätze. „Ein modernes Ideenmanagement ist in der Regel über funktionale Schnittstellen mit anderen Management- und Führungssystemen des Unternehmens verzahnt,“ sagt Dr. Hartmut Neckel, einer der profiliertesten Vordenker und erfahrensten Praktiker im Themenbereich Ideenmanagement, Innovation und kontinuierliche Verbesserungsprozesse. „Klar definierte Schnittstellen tragen dazu bei, dass Ergebnisse geteilt und Synergiepotentiale genutzt werden können. Je intensiver und systematischer diese Kooperationen gestaltet werden, desto häufiger kommt es zu Win-win-Situationen.“ .
Die Rampf-Gruppe setzt beispielsweise auf „integriertes Ideen-Management“, das heißt konkret: Innovations- ohne Ideenmanagement ist ein absolutes ‘No-Go‘. Auch die VDM-Metals GmbH beweist, dass Ideen- und Innovationsmanagement sehr gut an einem Strang ziehen können Kooperation). Dort wurde für das Ideenmanagement und Innovationsmanagement im Bereich Forschung & Entwicklung eine gemeinsame Startseite geschaffen, auf der zunächst alle Ideen eingegeben werden. Ein eigens dafür zuständiger Ideenmanager entscheidet dann, ob eine Idee in der Folge im Ideen- oder Innovationsmanagement zu bearbeiten ist.
Warum dann nicht gleich das Ideenmanagement als Einfallstor für alle Ideen nutzen? Letzten Endes, aus Unternehmens- und Managersicht, geht es ja übergreifend um eine aktiv gelebte Verbesserungskultur. Das ist Wasser auf die Mühlen von Siemens Gamesa-Ideenmanager Sven Juraschka: „Ich sehe das moderne Ideenmanagement als einheitliches Programm zur Ideengenerierung – und uns Ideenmanager stärker in einer orchestrierenden Funktion, zuständig für die Einbindung von Innovationsmanagement, KVP und anderen Verbesserungsprogrammen. Wir fungieren als Kooperationspartner und stellen allen anderen Programmen einheitliche Systeme, Methoden und ganzheitlichen Support zur Verfügung.“
‘Verbesserungen‘ als Dreh- und Angelpunkt? Für Liebherr ist das nichts Neues: Dort sind Ideenmanagement, Innovationsmanagement und KVP bereits in einem System integriert – und auch das Zusammenspiel der jeweils zuständigen Manager klappt laut Johannes Walter, Head of Corporate Idea Management bei Liebherr, hervorragend: „Wir arbeiten mit einem ganzheitlichen Konzept für Ideen und Optimierungsprozesse. Im ‘Ideenhaus‘ ist alles angesiedelt: BVW, KVP, Innovationsmanagement, etwa für Produktideen und Sonderprojekte, und unser Wissensmanagement, zum Beispiel Best Practice. Unser System bzw. unsere webbasierte Plattform unterstützen heute Denkprinzipien und Verbesserungsverfahren in allen relevanten Bereichen – insgesamt rund 44.000 Nutzer weltweit.“
Mehr Verzahnung, Kooperation & Integration
KVP, Six Sigma, Lean Management: In vielen Unternehmen gibt es noch weitere Initiativen und Programme, bei denen als Ziel „Verbesserungen“ im Fokus stehen. Dr. Lothar Franz, langjähriger Leiter des BASF-Ideenmanagements, erzählt, dass sich vom Management ganz oder teilweise initiierte Methoden wie Lean Management mit dem Ideenmanagement überlappen. „Bei BASF,“ so Franz, „haben Einreicher-Teams auch die Möglichkeit, ‘Lean‘-Ideen im Ideenmanagement einzugeben. Ausnahme ist, wenn eine sehr enge Aufgabendefinition – quasi eine Beauftragung – durch den Vorgesetzten erfolgte.“
Bei der Deutsche Post DHL Group ist beim Konzernvorstand Personal beispielsweise nicht nur das Ideenmanagement, sondern auch das Programm „Start-up Lab“ aufgehängt. Dort werden pro Jahr bis zu acht Ideen für innovative neue Produkte und digitale Geschäftsmodelle ausgewählt und dem Konzernvorstand präsentiert. Das Ideenmanagement hat hier eine wichtige Rolle: Es sichtet Ideen, die im internen “Incubation Program“ nicht zum Zuge kamen und prüft, ob diese auf normalem Weg – also im üblichen Ideen-Bearbeitungsprozess – umgesetzt werden können.
Neuausrichtung: Stimulation von Ideen
Egal, welches Verbesserungsprogramm man sich auch ansieht: Die Wege und Werkzeuge zur Ideenfindung haben sich stark gewandelt. Bosch-Ideenmanagement-Chef Peter Schmid sieht die geführte Ideengenerierung als integralen Bestandteil eines modernen, zukunftsweisenden Ideenmanagements: „Aus dem traditionellen BVW, bei dem die Initiative direkt vom Mitarbeiter ausging, hat sich heute der geführte Prozess der Ideengenerierung herausgebildet, der so dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess dient.“ Das heißt: Gute Ideen werden bei Bosch heute systematisch in internen Kampagnen oder Workshops entwickelt – unter Anleitung. Und das offenbar mit sehr großem Erfolg: Im klassischen Vorschlagswesen innerhalb Deutschlands liegt die Quote nun bei 35 Prozent, bei der geführten Ideengenerierung bei rund 90 Prozent.
Auch für Dr. Neckel sind „Kampagnen und Ideenwettbewerbe bestens geeignet, um möglichst viele Personen und Perspektiven mit einzubeziehen – und Ideen zur Bewältigung aktueller Herausforderungen zu mobilisieren. In vielen Unternehmen habe sich das Ideenmanagement deshalb „zum internen Dienstleister oder Business Partner entwickelt, dessen Leistungsangebot für andere Abteilungen auch die Organisation und Durchführung von Kampagnen oder Ideenwettbewerben umfasst.“ Kampagnen sind heute sehr populär – vor allem, weil sie so flexibel sind. „Durch Kampagnen können Ideen besser gesteuert werden als im klassischem BVW“, ergänzt Siemens-Gamesa-Ideenmanager Juraschka. „Zudem ermöglichen sie die Integration von Innovationsmanagement, KVP und Ideenmanagement.“ Der Ideenmanager fungiert hier als Projekt- und Kampagnenmanager, coacht Führungskräfte und Kampagnenteilnehmer, setzt verschiedenste, themenspezifische Kampagnen auf, kommuniziert sie und wertet sie aus.
Die Praxisprofis sind sich jedenfalls einig: Die Rolle des Ideenmanagers wird künftig neu definiert – und ausgerichtet, hin zu mehr Beratung, Prozessbegleitung und Moderation. „Die Stimulation von Ideen rückt damit deutlich mehr ins Zentrum“, konstatiert Ideenmanagementprofi Peter Schmid, „denn nur dann entsteht auch wirklich Neues.“
Der Ideenmanager als Influencer
Und wie tickt er, der „neue Ideenmanager“? Welche Aufgaben hat er? Welche Fähigkeiten braucht er? „Der Ideenmanager der Zukunft? Macht mehr KVP – und weniger BVW. Ist mehr Manager – weniger Administrator. Und mehr Influencer – weniger Beamter!“, bringt es Sven Juraschka auf den Punkt. Zur gleichen Einschätzung kommt Ex-Bosch-Manager Schmid: „Der Ideenmanager muss sich im Rahmen der Personalentwicklung in bestehende Prozesse integrieren und diese aktiv mitgestalten. Wenn man so will, wird der Ideenmanager zum Influencer, der wesentlichen Einfluss auf ein Ideenmanagement ausübt, das nach seiner Ergebniswirksamkeit beurteilt wird.“
Und dabei geht es nicht um ein Satellitendasein des Ideenmanagers, ganz im Gegenteil, sagt Schmid: „Vielmehr geht es um ein erweitertes Verständnis eines Verbesserungsmanagements, das letzten Endes in der Etablierung einer Verbesserungskultur im Unternehmen mündet. Die Integration der Mitarbeiter in die strategische Ausrichtung und damit in die Zielerreichung des Unternehmens und mehr noch, des jeweiligen Bereiches, wird dadurch fester Bestandteil eines modernen Ideenmanagements.“ Siemens-Ideenmanager Juraschka sieht das genauso: „Der Ideenmanager wird sich künftig noch mehr fokussieren auf eine einheitliche und strategische Verfolgung von Verbesserungspotenzialen sowie deren aktuelle Adaption auf Unternehmensziele und -strategien.“ Juraschka ist überzeugt, dies sorgt für eine tiefere Integration und höhere Akzeptanz im Unternehmen, auch im globalen Kontext.
Offen für neue Impulse und Ideen – auch von Externen
Um für all diese Aufgaben gerüstet zu sein, braucht ein Ideenmanager neben der fachlichen Kompetenz eine gute Portion Gelassenheit und Neugier, ein internationales Mindset und den Willen, Veränderungen herbeizuführen. „Die Fähigkeit zu (internem) Netzwerken ist dabei ebenso vorteilhaft wie eine gewisse Unvoreingenommenheit bei der Art, Dinge anzugehen“, meint Schmid: „Angst vor Neuem hat im Gegensatz zu früher im Ideenmanagement keinen Platz mehr.“ Und weil das so ist, hat er bei Bosch die Zukunftsinitiative Ideenmanagement initiiert, die auch verstärkt auf externe Impulse und Inspiration setzt. Diese Aktivitäten gehen, man ahnt es, in Richtung Open Innovation – die aktive Einbindung von externem Wissen. Ziel sei, sagt Schmid, der die Initiative heute als Gründer und Treiber weiter voranbringt, „gemeinsam Ideenhorizonte zu erweitern und/oder Ideen zu validieren, die in der konkreten Weiterentwicklung in jeweils unternehmensspezifische Verbesserungen münden können.“
Klar, der globale Wettbewerb verschärft sich und viele Geschäftsmodelle – erst recht in Zeiten von Corona – müssen sich neu definieren. Schmid: „Digitalisierung, Vernetzung, Innovationsdruck und Ansprüche an Produkte und Dienstleistungen steigen. Diese Entwicklung zeigt sich in einem zeitgemäßen Führungsverständnis und agileren Formen der Zusammenarbeit und so entsteht mehr Raum für aktiveren Austausch und Kreativität.“
Corona macht vieles möglich: Agile New Work Mitbestimmung
Wie agil das geht, zeigt ein Beispiel der Softwarefirma Haufe-Umantis. Um Prozesse zu beschleunigen und seine Mitarbeiter zu befähigen bzw. zu „enablen“, wie es im New-Work-Neudeutsch heißt, hat das Unternehmen im Zuge der Corona-Krise den sogenannten Advice-Prozess eingeführt: Haben Mitarbeiter eine Idee, sprechen sie das nur mit ihrer Führungskraft oder mit den Kollegen ab, die für das jeweilige Thema zuständig sind. Kommt kein Veto, wird die Idee direkt umgesetzt. Auch die Geschäftsführung muss nicht eingebunden sein, es sei denn, es ist per Gesetz vorgeschrieben.
Wie auch immer, die Industrie steht vor großen Herausforderungen. Für Fachexperten und Praktiker wie Dr. Franz, bis 2020 Ideenmanagement-Chef bei BASF, steht jedenfalls außer Frage, dass das Ideenmanagement auch in Zukunft in den Unternehmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen wird. Franz abschließend: Umso wichtiger ist es daher, die Mitarbeiter mitzunehmen und ihnen weiterhin die Möglichkeit zu geben, den Wandel über das Ideenmanagement mitzugestalten. Dies ist zum Vorteil von Mitarbeitern und Unternehmen!“
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